Sonntag, 6. Januar 2013

Die Schwingen der Freiheit

Mir fällt auf, dass jedes Mal, wenn ich nachdenken muss oder mir über Dinge klar werden will, ich am Wasser lande. Dieses Mal hat es mich an eine breite Stelle des Flusses unterhalb des Gutshofes verschlagen, wo das Wasser ruhig und glatt vor sich hin fließt. Der kleine Bootssteg wurde umfunktioniert bzw. dient zu Testzwecken für eine neue oder vielleicht auch alte Form des Brückenbaus. Mein Fass, auf dem ich seit Tagen die Nachmittage und Abende verbringe, musste ich etwas beiseite rücken. Man stelle sich vor, ich fische und das auch noch recht erfolgreich, dabei esse ich keinen Fisch, zumindest nicht, wenn's nicht unbedingt sein muss. Vielleicht erbarmt sich ja einer meines Fangs und macht daraus Fischsuppe, wobei das nicht weniger grausam ist, zumindest in meinen Augen. Aber psst, das hab ich nie gesagt.

Im Moment gibt es ein großes Thema in Kasra, das allgegenwärtig ist: Del-Ka. Als Krieger hab ich natürlich hier und da mit der Sache zu tun, aber bislang verhält es sich für mich noch recht ruhig. Vielleicht bin ich auch viel zu sehr mit mir selbst beschäftigt. Momentan dürstet mir eher nach Ruhe und etwas Abgeschiedenheit, weswegen ich mich wohl auch für das Angeln entschieden habe. Wenn nicht gerade an diesen Brückenbauten oder den Schiffen gearbeitet wird oder jemand panisch um den Hof rennt, weil er meine Gefährtin sucht, ist es hier herrlich ruhig.
Meine Nächte sind kurz, eigentlich eher die von meiner Gefährtin und den ganzen Sklavinnen, aber es bleibt nicht aus, dass wenn sich Elicius und Elea - unsere Zwillinge - vorgenommen haben, lautstark auf ihren Essenwunsch hinzuweisen, ich davon ebenfalls wach werde. Mittlerweile hat sich jedoch die Zeitspanne vergrößert, in der sie ihr Recht fordern, und so werden die Phasen, in denen wir schlafen dürfen, immer länger.

In mir keimt so etwas wie ein schlechtes Gewissen auf, denn ich sitze nun hier mit Blick auf den Fluss, der sich wie eine riesige Ost durch die Landschaft schlängelt, und alles, woran ich denken kann, ist, diesem heranwachsenden Drang nach Freiheit nachzugeben. Dabei habe ich alles, was man sich nur wünschen kann. Eine Gefährtin, schön, klug und einflussreich. Wir sind wohlhabend, haben zwei gesunde Kinder. Sicherlich würde mich so mancher darum beneiden. An manchen Tagen tu ich das sogar selbst. Wirklich! Dennoch höre ich, wenn ich die Augen schließe und versuche der Ruhe hier draußen zu lauschen, den Flügelschlag der Freiheit. Ich sehe nach oben, ob sich ein Tarn oder sonst ein Federvieh nähert, aber es ist nichts zu sehen. Der Himmel ist klar, kein Schatten verdunkelt das Zentralfeuer. Es ist wohl doch nur die Stimme in mir, die sich bemerkbar macht...

Catellus

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