Freitag, 8. Februar 2013

Tarnhorst am Vosk

Es war ein Hexenkessel, und sie haben uns zusammengeschossen. Ich rede von diesen Bastarden aus Ar, dieser entrückten Legion unter Führung des Senators Lucius. Sie hatten in Lydius ein Tarnschiff gestohlen und wohl auch jemanden entführt, hatten Hochburg brüskiert und unter falscher Flagge Kasras  Turmus mit einem Schiff angegriffen. Darauf bildete sich eine Koalition der Willigen aus Hochburg, Lydius und Kasra, die dieses Tun abstrafen wollten – wohlweislich unter Ausschluss von Truppen der Voskliga, um deren Stabilität nicht zu gefährden. Gleichwohl wurde eingefordert, die Städte mögen militärische Operationen des Bündnisses auf ihrem Hoheitsgebiet wenigstens tolerieren.

Das Kommando, diese Legion auszulöschen, hat die Koalition mir erteilt. Einem gebürtigen Cosianer, der Erfahrung darin hat, Arer Soldaten im Matsch des Vosk unter seinen Sandalen zu zertreten. Allerdings stellte sich die Koalition der Willigen auch als Koalition der bedingt Bereiten heraus - und eine Armee ist immer nur so stark wie ihr Rückhalt.

Hochburg hatte zunächst Informationen über die Mannstärke des Gegners und seine Angriffsstärke geliefert und seinen Standort. Immerhin der Standort erwies sich als richtig. Aus Kasra standen mir lediglich die wenigen am Vosk stationierten Männer unseres Tarnschiffes „Adoria“ zur Verfügung – ich nahm auch an, das würde reichen, denn ich rechnete mit einer Aufstockung aus Lydius und Hochburg sowie freien Söldnerhauptmännern.

Beim Versammeln der Truppen warteten wir jedoch vergeblich auf Kohorten aus Lydius, denen eigentlich lange im Voraus der Einsatz bekannt war. Schließlich hatte Lydius ihn selbst mit beschlossen. Auch einige Söldnerhauptmänner ließen mich hängen – nur nicht die schlagkräftigen Truppen der „Roten Hand“ um ihren Hauptmann Quintus, die Kasra bereits im Feldzug gegen Belnend eine sichere Hilfe waren. Ich hatte sie eingekauft, und die „Hand“ zog auch Söldner aus Hochburg für den Schlag am Vosk ab. Wieder einmal waren sie eine sichere Bank.

Nur mit halber Mannstärke besetzt, ließ ich die kleine Truppen dennoch ausrücken, es ging ja nur gegen eine Legion aus angeblich Halbverhungerten, die zudem durch Seegefechte vor Turmus dezimiert worden sein sollte. Ich gab Marschbefehl, um mir die Lage vor Ort anzusehen und ein Zeichen zu setzen, das mir aufgetragen wurde: Niemand fährt unter falscher Flagge Kasras, niemand stiehlt Schiffe in Lydius, niemand macht Hochburg dumm an.

Das Lager der Arer erwies sich dabei topografisch allerdings als ein Tarnhorst - nicht zu nehmen im Sturm, ohne dass man wenigstens mit der doppelten Mannstärke als die der Verteidiger gegen die Tore stürmt. Gebaut, um von den Höhenzügen aus Angreifer aus drei Himmelsrichtungen zu beharken – Schutz vor den Pfeilen gibt es kaum. Kurz: eine eigentlich uneinnehmbare Festung, auch nicht in Zangengriffen zu attackieren und allenfalls mit Kommandounternehmen oder in riskanten Luftlandeoperationen zu nehmen. Und es erwies sich, dass auch unsere weiteren Hochburger Informationen über die Truppenstärke der Legion lückenhaft waren – sie war etwa doppelt so groß wie erwartet und der unseren in der Zahl überlegen. Was wir in einer Feldschlacht allerdings durch Erfahrung und Kampfmoral wett gemacht hätten. Es kam aber anders.

Trotz der Chancenlosigkeit befahl ich den Angriff, denn wen Luc von Kasra im Namen Kasras Truppen aufmarschieren lässt, dann zieht er sich nicht einfach zurück, ohne dem Feind wenigstens die Stirn zu bieten und ihm vor die Füße zu spucken, sowie ein Gefühl für das Terrain zu bekommen.

Das Lager des Feindes erwies sich als eine dieser Schießbuden, wie man sie von Jahrmärkten auf dem En Kara Fest kennt. Unsere einzige Deckung war ein Hügel, unser wirklicher Gegner eher nicht die Arer Schützen auf den Zinnen, sondern die Steine und Wälle, hinter denen sie sich versteckten. Brandbomben aus Thalarionöl flogen uns um die Ohren, und ich musste mich bereits bei Quintus von der „Hand“ entschuldigen, dass ich ihm keine Feldschlacht bieten konnte, wie ich sie eigentlich von Arer Truppen kenne, sondern ein derartiges Stellungsscharmützel.

Nachdem durch den Beschuss unsere Angriffskraft auf ein Drittel zusammengeschrumpft war, wollte ich den Rückzug anweisen. Es war einen Moment zu spät, das muss ich mir vorwerfen, aber niemand verlässt gerne einen Kampfplatz - selbst, wenn er bereits von Blut getränkt ist, wenn die Schilde voller Pfeile stecken und der Hohlweg vor dem Tor des Feindes mit Leichen gepflastert war. Taktisch völlig richtig, hatten die Arer Verteidiger unseren drohenden Rückzug vorausgesehen und sich endlich auf das offene Feld getraut, den Ausbruch aus ihrem steinernen Nest gewagt und frische Mannschaften in den Kampf geschickt, die uns in der Kraft dezimierten in den Rücken fielen. Nach einem kurzen Gefecht lagen wir blutend im Staub.

Ich liege nicht gerne blutend im Staub und lasse mich noch weniger gern dann von Leuten plündern, denen ich einmal Sold gezahlt habe, Leuten, die ich persönlich aus Aventicum befreite und die ihr Schwert schließlich gegen die Stadt Kasra gewendet haben, die ihnen einst Nahrung und eine Heimat gab. Aber so läuft es nunmal im Krieg und wenn man sich mit Flüchtlingen aus Ar einlässt, die ihren Stahl verkaufen und einem Senator, zu welchem Zweck auch immer, folgen, den man scheinbar in Ar nicht mehr in die Mauern lässt. Sonst wäre er ja dort und säße nicht irgendwo halbverhungert im Schlamm herum.

Wie dem auch sei, stehen also Valerius und Titus vor mir, einst treue Söldner für Kasra, und halten mir ihren kleinen Vortrag, den sie mir natürlich halten dürfen, weil sie an diesem Tag die Stärkeren waren. So ist das: Wenn du einen Kampf verlierst, erhält der Sieger damit das Recht dich zu verhöhnen und vollzulabern. Da muss man durch. Ein Ohr rein, anderes wieder raus - in dem Bewusstsein, dass nicht jeder Sieg ein Gewinn sein muss, auch ein Verlust kann ein Gewinn sein. Denn nun wissen meine Soldaten und Söldner genau, wie wir den Gegner und sein Terrain einzuschätzen haben.

Dummerweise sah ich Catellus in Fesseln und dachte: Ach du Scheiße. Dem Gefährten der Regentin hatte ich unbedingt angewiesen, sich hinten und in Deckung zu halten – gleichwohl ich natürlich in Kasra und der Regentin erzählen werde, dass er die Truppen vornweg mit entblößter Brust und spöttischer Miene angeführt hat. Falls sie mir meinen Kopf lässt, denn sie ist extrem pingelig mit ihrem Gefährten. Es ist immer riskant,  so eine laufende Goldkiste wie ihn im Kampf dabei zu haben: ein vorzügliches Ziel für jeden Erpresser von Lösegeld. Aber auch unumgänglich, denn natürlich ist Catellus ein tapferer Kämpfer, der sich in jede Schlacht stürzt und auf den unbedingter Verlass ist.

Selbstredend war Titus und Valerius der Wert von Catellus klar. Sie haben ihn daher eingesackt und eine immense Lösegeldforderung gestellt – wohl wissend, dass diese gewiss erfüllt werden wird. Ich habe mir dann noch ein wenig beleidigendes Gerede von den beiden angehört über irgendwelche Frauen, auf deren Wort ich höre, und die wasweißichwas machen sollten, um ihren Gefährten wieder… Blablabla, ich krieg es nicht mehr zusammen *winkt ab* Ich sag ja: ein Ohr rein, anderes wieder raus.

Andererseits half auch mein Gerede nichts von Arer Banditen und Geiselnehmern und verhungerten Verbrechern und Schatten ihrer Selbst, damit sie mir Catellus wieder mitgeben. Mein Kopf ist mir ja lieb. Aber: Half nichts, sie nahmen ihn mit. Gefiel mir nicht. auch wenn ich mir sicher war, dass sie ihn hätscheln und tätscheln wegen des Lösegeldes. Außerdem sackten sie noch die Zahlmeisterin der „Roten Hand“ namens Issi ein. Man kann sich vorstellen, dass sie diese anders behandelten. Gefiel sicher Quintus nicht. Nicht gut, wenn Quintus und Luc Dinge nicht gefallen. Da sind wir nachtragend.

Immerhin ließen die Arer alle anderen gehen. Eine ehrenvolle Geste mag man meinen. Tatsächlich wohl eher eine pragmatische, denn sie haben kaum etwas zu Essen dort - ja, nicht einmal vernünftige Ausrüstung, weswegen sie uns plündern ließen. Mit der Lösegeldzahlung wird das nun wohl anders aussehen - ich hoffe jedenfalls, die Regentin hat die für solche Fälle speziell angefertigten Tarnscheiben genommen: die aus dem Falschgold mit dem Eisenkern… Ich hoffe auch, sie redet ein ernstes Wort mit den „Willigen“. Ahja, und dass mein Kopf auf den Schultern bleibt. Das hoffe ich natürlich auch.

Luc

1 Kommentar:

  1. Ist ja interessant, was du so alles erzählst. Ich sollte unbedingt mal meine Gefährtin fragen, was sie so über meine Heldentaten gehört hat *schmunzelt*. Allerdings entspricht alles andere der bitteren Wahrheit. Aber wie das so ist, einmal gewinnt man, dann verliert man wieder. Also müsste nach dieser Niederlage ein kleiner Sieg anstehen. Warten wir mal geduldig ab, was das Schicksal für uns parat hat ^^.

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