Freitag, 15. Februar 2013

Ruhm, Ehre und Spezialeinsätze


Ich sitze ein wenig gelangweilt vor meinen Strategietisch und schiebe ein paar Standfiguren herum. Vor mir liegt noch der Plan der Voskregion, ein roter Kreis um das Areal, auf dem wir die XI. Arer Legion und deren Kohorte SPAX, ne, SPANDEX lokalisiert hatten. Ich denke kurz zurück an das kleine Scharmützel dort. Ein paar hundert Tote hüben, ein paar hundert drüben - das passiert halt, wenn man Zeichen setzen muss. Der, dem für den Augenblick das Kampfglück hold ist, siegt - und mit dem Kampfglück ist es wie mit den Launen einer Frau, wie jeder erfahrene Soldat weiß.

Auf Außenstehende oder Kastenfremde wirkt so etwas immer groß. Aber es kommt einem vieles groß vor, wenn man selbst klein ist und die bewundert, deren Stahl vor Blut trieft, während es einem selbst allenfalls vor Begeisterung, ein Zaungast sein zu dürfen, aus der Nase läuft.

Zwei Stockwerke unter mir im Gefängnis sitz der Centurio dieser Legion ein. Kasra wurde seiner nach einem Kommandoeinsatz von Spezialkräften habhaft. Nun hockt er da unten, beißt und schlägt um sich wie ein Sleen. Aber er wird anständig behandelt, so wie es sich grmäß seines Ranges gehört - immerhin sind wir hier beim Militär und im Herzen der Roten Kaste Kasras, wo man weiß, was sich gehört.

Ich weiß noch nicht genau, was ich mit ihm tun werde – viele wollen ihn lynchen, hinrichten oder versklaven. Gut, das ist das Volk, es will Unterhaltung. Aber der Mann hat gelernt, dass Taten einen einholen, und das reicht mir eigentlich. Vielleicht werde ich also um seine Freiheit mit ihm würfeln. Für Kasra hat er keinen Wert.

Ich schiebe wieder lustlos die Karte von der Voskregion hin und her. Mit dem Angriff gegen die Legion und dem Verhaften von Valerius ist mein Job dort oben eigentlich erledigt. Turmus hält sich nach wie vor aus dem Süden heraus mit seiner politischen Agitation und hat seine Lektion ebenfalls gelernt. Außerdem ist inzwischen bekannt und auch in Turmus längst ermittelt, dass deren Diplomatin hinter Plakatierungen und derlei Dingen in Kasra steckte, wohl auf eigene Initiative, und damit den ganzen Schlamassel ausgelöst hat.

Belnend bleibt weiter außen vor, Jorts Fähre ebenfalls - die Städte werden von klugen Männern geleitet, Rotkastigen halt; kürzlich sprach ich ja mit Bo aus Belnend über diesen ganzen Delka-Schnickschnack.
Nun lud mich die Rote Kaste aus Jorts Fähre ein zu einem Gespräch über die militärischen Aktivitäten in der Region. Auch hier überraschte man mich wieder mit Befürchtungen, Kasra betreibe imperialistische Expansion und wolle Städte des Vosk besetzen. Blanker Unfug. Was sollen wir tausende Passang fern der Heimat erobern, wo viel reichere, fette Oasen mit goldenen Dächern und Bädern voller Juwelen auf ihre Unterwerfung durch Kasra warten und darauf hoffen, dass die Regentin künftig ihre schützende Hand auch über sie hält, damit diese goldenen Dächer keine Kratzer bekommen? Auch hier, in Jorts Fähre, schien mir also das machtgeile Duo aus Turmus mächtig Gehirnwäsche betrieben zu haben.

Nach ein paar Paga sah man einige Dinge als auch Kasras geringe Interessen in der Region klarer, hoffe ich - man erkundigte sich noch kurz über den Ausgang des Angriffs gegen diese Legion und was die eigentlich wollen und freute sich, dass die Truppe führerlos ist. Es dauerte nur einen Schluck Paga, Hintergründe zu erläutern – man war ja unter Soldaten, die wissen, wovon geredet wird.

Sie wissen, dass in solchen Strafaktionen wenig Ehre zu gewinnen ist. Derlei Kämpfe sind nicht alltäglicher als das Spitzen eines Griffels für einen Stadtschreiber – nötig, aber Routine. Aventcium - das war Krieg. Der Belnend-Feldzug, seinerzeit auch der heilige Krieg gegen Lydius, zu dem ich, sehr zum Ärger Kasras, den Werbern folgte. Die andauernden Kämpfe gegen die Gesetzlosen in den Dschungeln am Fayeen, viele Schlachten gegen die wilden und diebischen Wüstenvölker, die Karawanen plündern, auch der große Krieg von Cos gegen Ar – das sind andere Hausnummern gewesen.

Weil ich in Belndend wie in Jorts Fähre den Kastenbrüdern stets willkommen bin, gab ich den Rarii noch mit auf den Weg, dass sie weiter klug sind, wenn sie sich nach wie vor nicht vor den Karren aus Turmus spannen lassen - wo ein von meinem Säbelrasseln in helle Panik verfallener Adminstrator offenbar die komplette Voskliga verrückt gemacht, damit sie sein kleines Leben schützt. Vielleicht war das aber auch nur eine Finte, weil er diese Städte am Fluss führen will – aber das werden besser die bewerten, die es direkt angeht. Sie müssen entscheiden, ob der Vosk zu einer Achse der Eitelkeit avancieren wird und sie zu Marionetten; sie entscheiden, ob die Wasser des Flusses künftig der Selbstbespiegelung statt des fruchtbaren Handels dienen. An mir selbst wächst diesbezüglich die Gleichgültigkeit wie Efeu empor.

Ich wische mit der Hand einige Standfiguren vom Tisch, rolle die Karte der Voskregion zusammen und stelle sie zu den anderen. Ich hole eine neue Rolle hervor und breite sie aus, um mich wichtigeren Dingen zu widmen. Möglicherweise werde ich mit dem Admiral noch besprechen, unser Tarnschiff „Adoria“ wieder vom Delta abzuziehen und die dezimierte Mannschaft aufzufrischen, denn wahrscheinlich werden die Seewege in Zukunft wieder wichtiger für den Handel.

Ich könnte mir nämlich denken, dass der Tollwütige aus Turmus irgendwann auf die Idee kommt, die Fährverbindungen auf dem Vosk an der nördlichen Salzstraße zu kappen, um damit vermeintlich Kasra zu treffen. Ich hatte in den taktischen Planspielen der letzten Hände bereits gesagt: Soll er nur. Denn mit einer solchen Maßnahme träfe die Vosk-Liga vor allem die gesamte Region nördlich des Flusses, die künftig ohne Salz und weitere Luxusgüter aus dem Süden dasteht. Sie träfe die finanzgewaltigen Zwischenhändler in Torcodino und sie machte die Salzpreise für den Nord-Export erheblich teurer, weil der Seeweg genutzt werden müsste.

Ich denke, falls so etwas eintritt, werden der Norden, die gesamte Region um Rovere als auch die reichen Handelshäuser aus Torcodino zu handeln wissen. Kasra würde das entspannt abwarten, sind bekanntlich die Kunden dort oben ohnehin rar und Gewinnmargen nördlich des Vosk mager. Und Kasra wird nach Turmus deuten, wenn eine Allianz der Salz-, Seiden- und Gewürzlosen sich erhebt. Sicher wachen dann auch die Händler aus der Voskliga auf - und erkennen, was man ihnen da eingebrockt hat und dass es immer das Ziel der Del-Ka-Bewegung war, den Einfluss und die Macht und damit auch den Wohlstand der Händlerkaste zu schmälern.

Mag sein, dass man mich wegen der Sache nochmals in Gang setzt. Vielleicht auch nicht. Ich werde es erfahren. Ich habe mich der Gegend ohnehin nur zugewendet, weil ich dort zu arbeiten und einen Befehl auszuführen und politische Agitation zu verhindern sowie für Terrorismusprophylaxe zu sorgen hatte. Die meisten einfachen Leute in Kasra haben nach wie vor keinen Schimmer, dass es außer dem Fayeen überhaupt noch einen anderen Fluss auf Gor gibt und halten „Turmus“ für einen Bestandteil unserer Stadtmauer.

Dann höre ich von unten Gerumpel. Wahrscheinlich hat dieser Centurio gerade wieder jemanden erwürgt, der zu nah ans Gitter kam. Also nehme ich ein paar Würfel und gehe die Treppe hinab, um dem Mann ein Spielchen anzubieten. Das Spiel seines Lebens, sozusagen… Wenn er verliert, werde ich ihn vielleicht kaufen und „Cato“ nennen sowie beim Sklavenhändler Tatso noch eine „Amira“ dazu erwerben. Vielleicht die Dunkelhäutige mit der Glatze. Wäre das ein Spaß, mit denen dann nach Turmus zu reisen, falls ich einmal Zeit haben sollte - der neuen Hauptstadt des Theaters, wie man hört.

Dort hätte man gewiss viel Freude an meinem kleinen Schabernack. Aber vielleicht ist es auch etwas reichlich Ehre, denen Sklavennamen zu widmen, hinterher werden die noch überheblicher – doch ich bin ja selbst schuld dran: Wahrscheinlich ist Überheblichkeit seit meinem Erscheinen in Turmus zum Schick dort geworden und man versucht, mir nachzueifern. Gut, Überheblichkeit muss man sich natürlich leisten können und verdienen, die kann man sich nicht einfach umhängen wie imitierten Silberschmuck.

Ich hörte ja, dass man meinem Kämpfchen gegen die Legion dort oben sogar einen Bühnenstück gewidmet hat. Ich denke an die vielen legendären Aufführungen der Theatergruppe von Lady Pinion in Kasra, der Kulturhauptstadt am Fayeen, und ihre beliebten Tourneen. Auch so ein Schick aus dem Süden, den man nun für Turmus adaptiert.

Tja, vielleicht war auch einfach das Volk dort froh, dass die Koalition der Willigen aus Lydius, Hochburg und Kasra Initiative gegen die Bedrohung der Arer Legion gezeigt hat, wozu seine eigenen Machthaber scheinbar nicht in der Lage waren - und gut, es ringt den Menschen immer Respekt und Bewunderung ab, wenn sich wenige gegen eine Übermacht stellen und ihr Schicksal herausfordern, da gibt es viele historische Beispiele. Man wird sich das in den Gassen erzählt haben, und irgendeinen Autoren hat es inspiriert.

Man hat seinen guten Ruf nicht unter Kontrolle. Ruhm eilt einem stets voraus wie der Schatten einem nach, und ich habe im Laufe der Zeit gelernt, mit derlei Bewunderung umzugehen und versuche, daraus keinen Vorteil zu ziehen. Bekommt man in der Accademia als Offiziersanwärter ja auch so beigebracht. Mag sich das Volk dort oben also weiter daran erfreuen, dass das Licht des Südens es für einen kurzen Wimpernschlag der Geschichte gestreift hat, als die Regentin Kasras sich in einer Laune dazu herabließ, ihren Blick nach Turmus zu richten.

Vielleicht stifte ich dem Volk dort eine Kopie der Statue, die die Regentin für mich gerade in Kasra aufgestellt hat. „Held von Kasra“ steht drauf. Ich war sehr ergriffen, als das Standbild geweiht wurde, schließlich mache ich ja bloß meine Arbeit für die Bevölkerung meines Heimsteins und erfülle den Schwur, den ich geleistet habe. Andererseits wurde das auch mal Zeit, nachdem Teibar sein Teibarium hat und der verblichene Dorian mit Orden überhäuft wurde. Ich muss nur mal mit dem Sklavenhausbetreiber Tatso reden, dass er die Statue regelmäßig schrubben lässt.

Ich mache mir etwas Sorgen wegen dieser Vögel…

Donnerstag, 14. Februar 2013

Für immer und einen Tag

Das verklärte Braun ihrer Augen schimmert unter den flackernden Lidern zu mir empor. Jede Faser ihres zitternden Körpers drängelt sich mir entgegen und ihre rosigen Lippen sprechen leise flüsternd aus, was ihre Augen bereits mehr als einmal verkündet haben. Ich beuge mich zu den flehenden Lippen hinab, um ihre Sehnsucht und ihr Verlangen zu stillen und wir versinken in einem Kuss, der mit der Ewigkeit zu verschmelzen scheint...

Plötzlich ein lautes Klirren! Was bei den Priesterkönigen war das? Ich reibe meine müden Augen und stelle fest, es muss ein Traum gewesen sein. Schnaufend lass ich meinen Kopf zurück ins Kissen fallen. Sicher hat schon wieder dieses tolpatschige Ding von Topfsklavin, deren Namen ich mir einfach nicht merken kann - die ich aber Wek'ker nennen sollte, kommt mir nebenbei, etwas schräg grinsend, der Gedanke-, einen der Krüge fallen lassen. Wäre nicht der erste und ist sicher auch nicht der letzte. Eigentlich ist mir das recht egal. Was mir aber nicht egal ist, sie riss mich aus meinen Träumen, dabei ist es eigentlich eh längst Zeit aufzustehen. Meine Gefährtin muss sich bereits in ihre Amtsgeschäfte gestürzt haben, denn ihre Seite des Bettes ist leer, das Kissen aufgeschüttelt und ihre Roben liegen auch nicht mehr, wie am Abend zuvor, über der Truhe. Mühsam gelingt es mir, mich aufzurappeln. Nun, wo ich wach bin, ist keines mehr dieser unnützen Dinger aufzufinden. Weder dieser Tolpatsch von Topfsklavin, noch eins der anderen Mädchen. Aber was soll's, etwas Wasser werd ich mir auch selbst ins Gesicht klatschen können.

Als ich gähnend durch den Vorhang schlurfe, stelle ich fest, dass ich mir statt nur etwas kaltes Wasser ins Gesicht, vielleicht doch lieber gleich den ganzen Krug über den Kopf kippen sollte. Ja so ist das halt bei derartigen Träumen, kommt mir schulterzuckend und mit einem Grinsen auf den Lippen in den Sinn. Gesagt, getan. Verdammt, ist das kalt! Aber jetzt bin ich wach und seh auch so aus, zudem kann ich nun ohne Bedenken meine Tunika überstreifen. Also tapse ich unbekleidet vom Bad zurück ins Schlafzimmer, um mich anzuziehen, so zumindest mein Vorhaben. Dort angekommen, muss ich ich allerdings feststellen, dass meine Tunika fehlt. Tja, da waren die Sklavinnen wohl einmal gründlich, also bleibt mir nichts anderes übrig, als mir eine frische herauszusuchen. Ich bin kein Weib - Verzeihung, keine Frau - aber auch ein Krieger hat Tuniken, die er lieber trägt und welche, die er, zwecks fehlenden Tragecomforts, gewissenhaft zu schonen pflegt. Heute habe ich so viel Glück, dass ich es kaum fassen kann. Es sind eben nur noch diese Tuniken übrig, die ich so gewissenhaft schone. Erneut sage ich mir "was soll's" und nehm mir eine davon. Die Wahl fällt leicht, weil ich keine davon sonderlich bevorzuge.

Gerade bin ich dabei mir die Tunika über den Kopf zu ziehen, da verfängt sich etwas in den unsauberen Nähten dieses Modells. Was hab ich heute nur verbrochen, dass  jede noch so simple Aufgabe zu einer 'Mission impossible' wird, frage ich mich. Es gibt Tage, da sollte man im Bett bleiben. Ja ehrlich, ist so. Da steh ich nun und stecke auf halbem Wege in meiner Tunika fest, keiner weit und breit, der mir zu Hand gehen könnte. Endlich! Ich habe es aus eigener Kraft geschafft mich irgendwie aus den Fäden der Naht zu befreien und das Teil überzuziehen. Beim zurechtzupfen des roten Hemdchens fällt mein Blick auf den Übeltäter. Es war der Ring! Golden mit filigranen Mustern und einer eingravierten Inschrift 'Für immer und einen Tag'. Ich betrachte ihn und plötzlich kehren die Bilder des Traums vor meinem geistigen Auge wieder. Mit verklärtem Blick und seligem Lächeln gebe ich mich ein paar Augenblicken dieser Erinnerung hin, dann kehre ich zurück ins Hier und Jetzt. Ich drehe den Ring ein paar Mal und schiebe ihn wieder etwas höher. Alles sitzt. Und wo es an die Sandalen geht, ist sogar eine Sklavin aufgetaucht, die mir beim Anziehen und Schnüren dieser hilft. Noch eben die Waffen angelegt - fertig! Mit eiligen Schritten mache ich mich auf in Richtung Stadt, um meinen Wachdienst anzutreten...

Catellus

Freitag, 8. Februar 2013

Tarnhorst am Vosk

Es war ein Hexenkessel, und sie haben uns zusammengeschossen. Ich rede von diesen Bastarden aus Ar, dieser entrückten Legion unter Führung des Senators Lucius. Sie hatten in Lydius ein Tarnschiff gestohlen und wohl auch jemanden entführt, hatten Hochburg brüskiert und unter falscher Flagge Kasras  Turmus mit einem Schiff angegriffen. Darauf bildete sich eine Koalition der Willigen aus Hochburg, Lydius und Kasra, die dieses Tun abstrafen wollten – wohlweislich unter Ausschluss von Truppen der Voskliga, um deren Stabilität nicht zu gefährden. Gleichwohl wurde eingefordert, die Städte mögen militärische Operationen des Bündnisses auf ihrem Hoheitsgebiet wenigstens tolerieren.

Das Kommando, diese Legion auszulöschen, hat die Koalition mir erteilt. Einem gebürtigen Cosianer, der Erfahrung darin hat, Arer Soldaten im Matsch des Vosk unter seinen Sandalen zu zertreten. Allerdings stellte sich die Koalition der Willigen auch als Koalition der bedingt Bereiten heraus - und eine Armee ist immer nur so stark wie ihr Rückhalt.

Hochburg hatte zunächst Informationen über die Mannstärke des Gegners und seine Angriffsstärke geliefert und seinen Standort. Immerhin der Standort erwies sich als richtig. Aus Kasra standen mir lediglich die wenigen am Vosk stationierten Männer unseres Tarnschiffes „Adoria“ zur Verfügung – ich nahm auch an, das würde reichen, denn ich rechnete mit einer Aufstockung aus Lydius und Hochburg sowie freien Söldnerhauptmännern.

Beim Versammeln der Truppen warteten wir jedoch vergeblich auf Kohorten aus Lydius, denen eigentlich lange im Voraus der Einsatz bekannt war. Schließlich hatte Lydius ihn selbst mit beschlossen. Auch einige Söldnerhauptmänner ließen mich hängen – nur nicht die schlagkräftigen Truppen der „Roten Hand“ um ihren Hauptmann Quintus, die Kasra bereits im Feldzug gegen Belnend eine sichere Hilfe waren. Ich hatte sie eingekauft, und die „Hand“ zog auch Söldner aus Hochburg für den Schlag am Vosk ab. Wieder einmal waren sie eine sichere Bank.

Nur mit halber Mannstärke besetzt, ließ ich die kleine Truppen dennoch ausrücken, es ging ja nur gegen eine Legion aus angeblich Halbverhungerten, die zudem durch Seegefechte vor Turmus dezimiert worden sein sollte. Ich gab Marschbefehl, um mir die Lage vor Ort anzusehen und ein Zeichen zu setzen, das mir aufgetragen wurde: Niemand fährt unter falscher Flagge Kasras, niemand stiehlt Schiffe in Lydius, niemand macht Hochburg dumm an.

Das Lager der Arer erwies sich dabei topografisch allerdings als ein Tarnhorst - nicht zu nehmen im Sturm, ohne dass man wenigstens mit der doppelten Mannstärke als die der Verteidiger gegen die Tore stürmt. Gebaut, um von den Höhenzügen aus Angreifer aus drei Himmelsrichtungen zu beharken – Schutz vor den Pfeilen gibt es kaum. Kurz: eine eigentlich uneinnehmbare Festung, auch nicht in Zangengriffen zu attackieren und allenfalls mit Kommandounternehmen oder in riskanten Luftlandeoperationen zu nehmen. Und es erwies sich, dass auch unsere weiteren Hochburger Informationen über die Truppenstärke der Legion lückenhaft waren – sie war etwa doppelt so groß wie erwartet und der unseren in der Zahl überlegen. Was wir in einer Feldschlacht allerdings durch Erfahrung und Kampfmoral wett gemacht hätten. Es kam aber anders.

Trotz der Chancenlosigkeit befahl ich den Angriff, denn wen Luc von Kasra im Namen Kasras Truppen aufmarschieren lässt, dann zieht er sich nicht einfach zurück, ohne dem Feind wenigstens die Stirn zu bieten und ihm vor die Füße zu spucken, sowie ein Gefühl für das Terrain zu bekommen.

Das Lager des Feindes erwies sich als eine dieser Schießbuden, wie man sie von Jahrmärkten auf dem En Kara Fest kennt. Unsere einzige Deckung war ein Hügel, unser wirklicher Gegner eher nicht die Arer Schützen auf den Zinnen, sondern die Steine und Wälle, hinter denen sie sich versteckten. Brandbomben aus Thalarionöl flogen uns um die Ohren, und ich musste mich bereits bei Quintus von der „Hand“ entschuldigen, dass ich ihm keine Feldschlacht bieten konnte, wie ich sie eigentlich von Arer Truppen kenne, sondern ein derartiges Stellungsscharmützel.

Nachdem durch den Beschuss unsere Angriffskraft auf ein Drittel zusammengeschrumpft war, wollte ich den Rückzug anweisen. Es war einen Moment zu spät, das muss ich mir vorwerfen, aber niemand verlässt gerne einen Kampfplatz - selbst, wenn er bereits von Blut getränkt ist, wenn die Schilde voller Pfeile stecken und der Hohlweg vor dem Tor des Feindes mit Leichen gepflastert war. Taktisch völlig richtig, hatten die Arer Verteidiger unseren drohenden Rückzug vorausgesehen und sich endlich auf das offene Feld getraut, den Ausbruch aus ihrem steinernen Nest gewagt und frische Mannschaften in den Kampf geschickt, die uns in der Kraft dezimierten in den Rücken fielen. Nach einem kurzen Gefecht lagen wir blutend im Staub.

Ich liege nicht gerne blutend im Staub und lasse mich noch weniger gern dann von Leuten plündern, denen ich einmal Sold gezahlt habe, Leuten, die ich persönlich aus Aventicum befreite und die ihr Schwert schließlich gegen die Stadt Kasra gewendet haben, die ihnen einst Nahrung und eine Heimat gab. Aber so läuft es nunmal im Krieg und wenn man sich mit Flüchtlingen aus Ar einlässt, die ihren Stahl verkaufen und einem Senator, zu welchem Zweck auch immer, folgen, den man scheinbar in Ar nicht mehr in die Mauern lässt. Sonst wäre er ja dort und säße nicht irgendwo halbverhungert im Schlamm herum.

Wie dem auch sei, stehen also Valerius und Titus vor mir, einst treue Söldner für Kasra, und halten mir ihren kleinen Vortrag, den sie mir natürlich halten dürfen, weil sie an diesem Tag die Stärkeren waren. So ist das: Wenn du einen Kampf verlierst, erhält der Sieger damit das Recht dich zu verhöhnen und vollzulabern. Da muss man durch. Ein Ohr rein, anderes wieder raus - in dem Bewusstsein, dass nicht jeder Sieg ein Gewinn sein muss, auch ein Verlust kann ein Gewinn sein. Denn nun wissen meine Soldaten und Söldner genau, wie wir den Gegner und sein Terrain einzuschätzen haben.

Dummerweise sah ich Catellus in Fesseln und dachte: Ach du Scheiße. Dem Gefährten der Regentin hatte ich unbedingt angewiesen, sich hinten und in Deckung zu halten – gleichwohl ich natürlich in Kasra und der Regentin erzählen werde, dass er die Truppen vornweg mit entblößter Brust und spöttischer Miene angeführt hat. Falls sie mir meinen Kopf lässt, denn sie ist extrem pingelig mit ihrem Gefährten. Es ist immer riskant,  so eine laufende Goldkiste wie ihn im Kampf dabei zu haben: ein vorzügliches Ziel für jeden Erpresser von Lösegeld. Aber auch unumgänglich, denn natürlich ist Catellus ein tapferer Kämpfer, der sich in jede Schlacht stürzt und auf den unbedingter Verlass ist.

Selbstredend war Titus und Valerius der Wert von Catellus klar. Sie haben ihn daher eingesackt und eine immense Lösegeldforderung gestellt – wohl wissend, dass diese gewiss erfüllt werden wird. Ich habe mir dann noch ein wenig beleidigendes Gerede von den beiden angehört über irgendwelche Frauen, auf deren Wort ich höre, und die wasweißichwas machen sollten, um ihren Gefährten wieder… Blablabla, ich krieg es nicht mehr zusammen *winkt ab* Ich sag ja: ein Ohr rein, anderes wieder raus.

Andererseits half auch mein Gerede nichts von Arer Banditen und Geiselnehmern und verhungerten Verbrechern und Schatten ihrer Selbst, damit sie mir Catellus wieder mitgeben. Mein Kopf ist mir ja lieb. Aber: Half nichts, sie nahmen ihn mit. Gefiel mir nicht. auch wenn ich mir sicher war, dass sie ihn hätscheln und tätscheln wegen des Lösegeldes. Außerdem sackten sie noch die Zahlmeisterin der „Roten Hand“ namens Issi ein. Man kann sich vorstellen, dass sie diese anders behandelten. Gefiel sicher Quintus nicht. Nicht gut, wenn Quintus und Luc Dinge nicht gefallen. Da sind wir nachtragend.

Immerhin ließen die Arer alle anderen gehen. Eine ehrenvolle Geste mag man meinen. Tatsächlich wohl eher eine pragmatische, denn sie haben kaum etwas zu Essen dort - ja, nicht einmal vernünftige Ausrüstung, weswegen sie uns plündern ließen. Mit der Lösegeldzahlung wird das nun wohl anders aussehen - ich hoffe jedenfalls, die Regentin hat die für solche Fälle speziell angefertigten Tarnscheiben genommen: die aus dem Falschgold mit dem Eisenkern… Ich hoffe auch, sie redet ein ernstes Wort mit den „Willigen“. Ahja, und dass mein Kopf auf den Schultern bleibt. Das hoffe ich natürlich auch.

Luc

Donnerstag, 7. Februar 2013

Die Koalition der Willigen

Mit Todesverachtung zog sie sich an diesem Morgen sogar Stiefel an.
In Decken gehüllt sicherte man sie und ihre Leibsklavin in dem Korb, den der Tarn nun endlose Pasangs weit Richtung Norden tragen würde.
Sie zitterte vor Aufregung, Angst hatte sie jedoch nicht. Es war nicht der erste Flug mit ihrem Gefährten, aber sie flogen noch nie dermaßen weit.

Es war ein besonders schöner Tag, der Himmel versprach gutes Wetter und die Sonne würde jeden Moment aufgehen. Nasty schaute über den Korbrand zu den anderen Tarns. Zehn waren es an der Zahl, die nun gerüstet und beladen waren. "Aufsitzen !!" hallte der Befehl durch das Gewusel der Tarnreiter und wenige Ihn später ging ein Ruck durch den Korb. Von ihrem Gefährten Catellus sicher gesteuert riss der gewaltige Flügelschlag des Tarns seine Traglast in die Höhe.

An Schlafen war kaum zu denken, ein Tarnflug ist alles andere als ruhig und so wollte sie die Reisezeit zum nachdenken nutzen.

Es war bereits der vierte politisch motivierte Besuch in einer fremden Stadt, seit sie zur Regentin auf Lebenszeit ausgerufen wurde. Regentin .. sie führte den Titel weiter, obschon er mit dem alten Machtgefüge in Kasra nur noch entfernt etwas zu tun hat. Der Hohe Rat von Kasra hatte sie zum Diktator ernannt, zur Alleinherrscherin. Damit löste er sich und auch die Verfassung von Kasra auf. Dieses uneingeschränkte Vertrauen der Bürger lastete nun auf ihren Schultern. Die Zukunft von Kasra lag vollkommen in ihren Händen.

Sie berief einen neuen Hohen Rat ein, denn auf seinen Rat wollte sie auch weiterhin nicht verzichten. Er tagte nun nach Bedarf und angemessen der Dringlichkeit. Die Dienstwege wurden kürzer, Kasra würde effektiver werden. Aber es war nicht die Zeit, sich um die Innenpolitik zu kümmern, andere Probleme drängten zum Handeln.
Lange Zeit machte es ihr nichts aus, dass gewisse politische Kräfte ihre Heimat als Feindbild erkoren hatten, auch wenn die Propaganda aus dem Voskgebiet langsam am Ruf von Kasra nagten.
Sie hatte ja den Kommandanten Luc, der sich mit seiner ganze Weisheit und Erfahrung um die Sicherheit von Kasra wie um ihre eigene kümmerte.

Luc .. Ihr Blick verklärte sich bei den Gedanken an den stattlichen Kommandanten. Sie hatten damals keinen guten Start, als sie die Regentschaft und damit auch die Befehlsgewalt über die Stadtwache übernahm. Heute fühlt sie sich ihm mehr als freundschaftlich verbunden, gegenseitiger Respekt und eine gemeinsame Aufgabe formten sie zu einer Einheit zum Wohle der Stadt.
Wie groß ihr Respekt und ihre Anerkennung waren, würde er dieser tage noch einmal erfahren können ..

RUCK - schreckte sie auf - schlechtes Wetter, Turbulenzen.

Sie wickelte sich enger in ihre Decke, schüttelte und konzentrierte sich wieder.
'Es ist viel zu weit entfernt.' dachte sie. Selbst als die Del-Ka auf Kasras Heimatboden tätig wurde und sich einige Bürger aus der Stadt absetzten, gab es noch keinen Grund Blut zu vergießen.
Erst ein Angriff auf ein Schiff vor Turmus, der wohl von unbekannten Kriegern unter dem Banner von Kasra durchgeführt wurde, schreckte sie endgültig auf.
Der Kommandant kümmerte sich um die militärische Stärke, sie selbst sich und die politische Positionierung.

Freunde boten Unterstützung, als sie von den Intrigen hörten. Andere Freunde verweigerten sogar einen sicheren Hafen für Kasra. Und vielleicht werden aus Feinden sogar Freunde, denn nichts eint mehr, als eine tatsächliche Bedrohung. Und die kam derzeit aus einer anderen Richtung.

Denn der hinterhältige Angriff unter der Flagge von Kasra wurde einem gewissen Senator Lucius und seinen Mannen zugeschrieben. Je mehr Informationen uns aus der Ferne zugetragen wurden, so deutlicher wurde ein Motiv für diesen Angriff. Anscheinend wollte der Senator mit seiner Legion die Städte am Vosk in ein Konflikt mit Kasra stürzen, die Region destabilieren und dann selbst die Ruinen unter seiner Macht vereinen.

Aber auch eine andere Idee war denkbar. Warum gab es keine überlebende Gefangene in Turmus? Warum ist der Angriff überhaupt gescheitert? Und ein weiterer Beweis, dass es NICHT Kasra war, ist ja nun dieses Scheitern. Möglich dass dies ein bezahlter Angriff war? Dass ein paar reudige Sleens geopfert wurden und deren Köpfe Turmus zierten? Dass dies nur ein weiteres Vorgehen der Del-Ka war, dem alten Feindbild noch mal Kraft zu verschaffen?

So oder so schien Lucius beteiligt gewesen zu sein, als Handlanger oder treibende Kraft. Er stellt mit seiner Legion eine Gefahr für den Handel am Vosk dar, und beim Thema Handel werden alle Städte hellhörig. Er musste weg ..

Nun sollte sie Fahrt aufnehmen, die Koalition der Willigen, die sich der Legion entgegen werfen würde und für eine neue Stabilität und Vertrauen untereinander sorgen sollte. Leicht würde es nicht werden alle in diesem Sinne zu vereinen, aber die Zeit der Passivität war vorbei.

RUCK ... sie war tatsächlich eingeschlafen und das Aufsetzen weckte sie unsanft.

Benommen und orientierungslos setzte sie sich auf und blickte in das vertraute Gesicht ihres geliebten Gefährten, dem Vater ihrer Zwillinge. Er löste bereits die Sicherungen und bedachte sie mit diesem zärtlichen Blick, den sie so liebte, wenn sie ihre Augen aufschlug.
Sie machten Rast, die Krieger kauten mürrisch auf Dörrfleisch herum, die Tarne wurde gefüttert. Alle streckten sich und sahen unendlich müde aus. Nach wenigen Ahn Schlaf ging es weiter.
Und weiter und wieder und weiter.

Die Spannung wuchs je näher sie Lydius kamen. Würden alle dort sein? Wie wird die Stimmung? Hatte sich in der schnellebigen Zeit und großen Entfernungen schon wieder etwas geändert?

Kurz vor dem Ziel rasteten sie noch einmal um sich frisch zu machen, eine Ahn später betraten sie das herrliche Lydius. Fanfaren ertönten, das Volk jubelte und der Administrator Gar nahm sie in Empfang. Lydianische Gastfreundschaft ist einzigartig und der Administrator selbst stand einst auf der Liste möglicher Gefährten, war aber vergeben.
Sie fühlte sich wohl hier.

Das Wetter wurde nicht besser, so bat Gar die geladenen Gäste in den Ratssaal, Tatrix Dirirtas sollte jeden Moment eintreffen, und um die Zeit zu überbrücken begann bereits die Verköstigung.
Diritas wurde schon kurz darauf in den Saal geleitet und nach ebenso formeller wie herzlicher Begrüßung eröffnete Gar diesen Abend.






Nach einem gemeinsamen Trinkspruch wurden Reden geschwungen, bevor man sich zu den Einzelheiten zurückziehen wollte.
Der Gastgeber überließ den Gästen großzügig den Vortritt und nach kurzem Blickkontakt mit der Tatrix von Hochburg führte Kasra die erste Rede.

"Die Koalition der Willigen ...." begann die Regentin ihre Rede. "Ein Konflikt ist es, der uns an einen Tisch treibt, aber kein Konflikt untereinander, sondern uns liegen die Krisengebiete am Herzen. Vor allen der Vosk .. der eine natürliche Grenze darstellt.
Vorab hatten wir besprochen, dass wir auf diese Märkte nicht verzichten wollen ... dass wir die Intrigen erkannten, die alle entzweien sollen."

Die Reden dauerten an, einjeder erklärte seine Entschlossenheit und die Notwenigkeit des gemeinsamen Handelns. Kriege waren nicht gewünscht, hier trafen sich große Handelsstädte. Aber man wird jedem auf die Finger hauen, der sich der Piraterie schuldig macht oder versucht die entstehende Koalition zu unterwandern.
Tatrix Diritas lud für das nächste Treffen ein, denn manches muss den Rat der Städte passieren, und alle unterstrichen die sie verbindende Freundschaft. Für die junge Diktatorin aus Kasra war es ein guter Abend, sie war voller Überzeugung, dass diese Koalition der Willigen in Zukunft noch großes ausrichten wird.





Nach dem offiziellen Treffen folgten in Abgeschiedenheit noch detailierte Gespräche und der Abend wurde zur Nacht. Adminstrator Gar erwies sich als perfekter Gastgeber und irgendwann in den Morgenstunden war alles notwendige gesagt. Die jungen Eltern aus Kasra ließen den Tag mit einem entspannenden Bad ausklingen und machten ihn damit perfekt.