Samstag, 26. Januar 2013

Der Kommandant fliegt

Unser Tarnschiff Adoria-Klasse mit seinen 250 Mann Besatzung ist in den nördlichen Bereich des Vosk-Deltas verlegt worden und dort angelandet. Rovere ist nicht weit. Rovere ist ein Handelspartner am Ende der nördlichen Salzstraße, und Kasra liefert dorthin Salz. Die Salzstraße führt auch über den Vosk und kreuzt ihn bei Tafa zwischen Victoria und Port Cos. Rovere ist wie viele andere Städte nördlich des Vosk am Offenhalten der Wege über den Fluss interessiert und weiß um die Probleme mit der Delka dort – und um die Agitation gegen Kasra. Es kann sehr schnell gehen, und der Fluss des Salzes wird gekappt, doch das Salz muss fließen.

Innerhalb seines Einflussbereiches hat Rovere daher das Anlanden von Truppen aus Kasra von Bord der Adoria in einem strategisch günstig liegenden Fischerdorf mit ausreichend großem Hafen zugelassen. Rovere hat außerdem einige Tarne geliefert. Vom Standort der Truppen an der Küste sind er etwa 550 Pasang bis Turmus. Einem Kriegstarn sind am Tag 350 Pasang zuzumuten – wir können also innerhalb kürzester Zeit die 250 Mann auf dem Marktplatz der Stadt auf einen Schlag landen. Wir können außerdem auf halbem Wege ein Dorf nahe Turmus einnehmen und unsere Operationsbasis dorthin verlagern und dorthin auch die Hauptmänner von Söldnerarmeen bitten, die Kasra bereits um Kontrakte anbetteln, um mit ihren Speeren und Schwertern unsere Truppen aufzufüllen. Und das alles, ohne dass auch nur ein weiterer Soldat Kasra verlassen müsste.

Das ist im Sinne der Regentin, die keinen Krieg am Vosk will, in den Kasra verwickelt wäre. Sie will aber ihren Standpunkt dennoch sehr klar vermitteln. Denn nachdem die Delka scheinbar ihre Finger aus dem Süden zurückgezogen hatte, hat sie auf hinterlistige Art und Weise einen Spionageangriff auf einen der direkten Vertreter der Machthaberin ausgeführt. Nämlich mich. Inzwischen wissen wir auf der Grundlage von medizinischen Begutachtungen, dass mir wohl tatsächlich ein Plapperwasser eingeflößt worden ist. Und einen solchen Angriff - wozu auch immer er gut sein sollte, lässt die Regentin nicht auf sich sitzen, denn wer einen ihrer Untergeben angeht, und sei es der Geringste, der geht auch sie persönlich an. Kein Wunder, dass sie in Kasra so beliebt ist.

Also habe ich angewiesen, einige Tarne von unserem Lager an der Küste zu starten, sie mit Kasras Wappen zu schmücken und über Turmus zu kreisen. Damit dieses Terroristennest begreift, dass es in unserer Reichweite liegt. Damit ihm klar ist, dass es statt einer Staffel Tarne auch mehrere Geschwader hätten sein können, die den Himmel verdunkeln, Dass Kasra im Handstreich eines Vormittages ihre völlig unvorbereitete Stadt hätte einnehmen können. Und schon zum Mittagessen wäre das Kapitel Del-Ka zugeschlagen gewesen und die Verantwortlichen, die es bislang geschrieben haben, entweder mit Stahl erschlagen, von Klauen und Schnäbeln zerfetzt oder in Ketten verschleppt.

Dabei sind lustige Dinge geschehen. Natürlich sind die Menschen in Scharen von den Straßen geflohen, haben sich in Kellern verkrochen. Tarne über der Stadt sorgen schnell für Panik, und genau deswegen habe ich sie auch eingesetzt. Die psychologische Wirkung der Tarnwaffeist immens. Aber das ist nicht das Lustige, wobei es aus der Luft schon drollig aussieht. wie so ein Ameisenhaufen.

Lustig war vielmehr, dass die völlig überraschten Rarii der Stadt auf ihre Schiffe sprangen und mit schnellen Triremen ausliefen. Mit Schiffen wollten sie eine Stadt verteidigen, der ein Luftangriff droht. Andersherum könnte man das ja noch verstehen. Aber so… Muss man sich mal vorstellen. Was hatten die wohl vor? Die Tarne rammen? Hat jedenfalls für jede Menge Unterhaltung gesorgt, als die Tarnreiter das erzählten. Die Männer sind schon gespannt, ob Turmus sie mit Schinkenbrettchen zum Schutz ausrücken lässt, falls einmal die Speere gegen sie fliegen. Aber man wird sehen.

Montag, 21. Januar 2013

Brennendes Thalarionöl

Ich koche. Ich pisse brennendes Thalarionöl. Lava rollt durch meine Adern, und ich speie Feuer mit jedem Atemstoß.

Zwei Weiber haben mich aufs Kreuz gelegt. Namentlich Amira von Turmus mitsamt Verräterin Isa von Wasweißichwas. Mich. Als ich wieder in Kasra ankam, habe ich in der Zitadelle mein Schwert gezogen und einige Inhaftierte und ohnehin zum Tod verurteilte Kriminelle umgelegt, um mich wieder zu beruhigen. Hat aber nicht geklappt.

Ich bekam also das Schreiben von dieser Ost aus Turmus namens Amira. Da sei diese fürchterliche Isa Turmus und ihr im Wege. Sie, Amira, und ich, Luc, teilten ja in alter Verbundenheit einige Geheimnisse. Sie wisse, dass dieser Sleen Isa in Kasra als Verräterin gesucht werde. Die Schlampe sei inzwischen versklavt. Sie wolle mir die übergeben, damit sie ihr a) aus dem Weg sei – und ich könne ja b) damit punkten, die Verräterin in Kasra endlich hinrichten zu lassen. Gewinner-Gewinner-Modell. Nicht schlecht. Geheimer Treffpunkt auf irgendeiner Insel. So weit, so gut – und bei der Gelegenheit, dachte ich, könnte ich Amira noch ein wenig bezirzen, damit sie ihren Gefährten weiter an der Kandarre hält, damit der seine Finger nach wie vor aus Kasra rauslässt.

Was er auch getan hat, seitdem ich in Turmus war und mit dem Gladius gerasselt hatte. Männer, die am Ende vernünftig sind und verstehen, wer der Stärkere ist, gefallen mir eigentlich. Kurzum gab es keinen Grund, anzunehmen, dass bei diesem Geheimtreffen irgendetwas schief laufen würde. Hatte ich mir so gedacht. Aber ich Dummkopf habe wohl die Angst dieser Leute in Turmus unterschätzt, die ich ihnen eingejagt haben muss.

Also komme ich zu diesem Treffen, spucke erstmal der versklavten Isa ins Gesicht und habe eigentlich vor, die direkt an Ort und Stelle umzulegen. Gladius ins Genick. Ein Stich. Saubere Sache. Davor noch ein Schlückchen Kalana, und ich setze mich ziemlich dicht an diese Schlange Amira, weil ich meine Wirkung auf sie kenne. Bisschen schäkern. Allerdings kennt sie wohl auch ihre Wirkung auf mich – und ich kriege überhaupt nicht mit, dass…

Weg. Alles weg dann. Keine Erinnerung mehr.

Irgendwann wache ich auf in diesem Drecksnest. Die Weiber beide fort. Mit Mordskopfschmerzen gehe ich zu den Docks, frage ein wenig rum. Höre etwas von Soldaten mit Wappen auf der Tunika. Lasse mir das beschreiben und denke: Scheiße, das Wappen von Turmus. Und: Leck mich am Arsch, weil mir dämmerte, was da gerade abgelaufen war.

Die Schlampen wollten mich entweder betäuben und von ihren Roten entführen lassen. Irgendwas kam dazwischen. Oder aber, sie haben mir etwas eingeflößt, dass nach meiner Rückkehr in Kasra Admiral Teibar, der Feuchte, als Plapperwasser bezeichnet hat.

Ich weiß, dass es so was geben soll. Und ich habe gerätselt, was ich im schlimmsten Fall ausgeplappert haben könnte. Eigentlich nichts, was deren Spione denen nicht schon zugetragen haben. Dann aber kommt uns ein schrecklicher Gedanke: Ich könnte Dinge erzählt haben, die Sicherheitsaspekte rund um unsere Regentin angeht. Vielleicht, weil Turmus ein Attentat plant. Ich erschaudere. Nun, wir werden uns bei der Grünen Kaste informieren, ob das wirklich ein Plapperwasser war.

Bleibt, dass ich mich zur Rechenschaft ziehen lassen muss dafür, dass ich auf den ältesten Trick aller goreanischen Geheimdienste reingefallen bin. Ich Doofmann. Natürlich ist es wiederum richtig, dass Leute, die mit Gift und Betäubungsmitteln und weiß ich was operieren, niemals die Ehre meines Stahls beflecken können. Erst Recht nicht Weiber. Und ich war lange genug im Geheimdienst für Cos und Kasra tätig, dass ich weiß, mit welchen Methoden da operiert wird. Nichts Neues. Das kann man nur zur Kenntnis nehmen.

Aber. Und das „Aber“ kommt eigentlich immer. Aber zwei Weiber hat dieser Cato geschickt – und hier zeigt sich, wie dieser Schreiber wirklich operiert. Frauen treibt er mit Tränken durch die Gegend und verkriecht sich selbst in seiner Kammer. Wer weiß, mit welchen Substanzen er die Brunnen von Belnend vergiftet hat – kürzlich war ich mit der Regentin dort, und wunderte mich nur und fragte mich, ob man dem stolzen und aufrechten Bo von Belnend das Gehirn aus der Schale genommen und gründlich mit Spülwasser aus Turmus durchgelaugt hat.

Faselte da irgendwelche Sachen von Port Cos und wie wir dazu stehen und Gefahr und Bedrohung und Vosk und Retter von der Delka. Ich hatte zuerst immer noch gedacht, der würde von Cos reden, also einer ernstzunehmenden Gefahr. Nee, Port Cos am Vosk meinte er, und wir sagen: Hä? Ja, scheiß doch auf Port Cos, wo ist denn dieser Fliegenschiss überhaupt, und was soll uns denn der interessieren?

Aber er redet weiter wirres Zeug und Delka und Cato und wunderbar, und ich sage: Bo, mich interessiert nur, dass der seinen Terrorismus aus Kasra raushält, sonst gibt’s auf die Omme, und ihr haltet mal dann den Ball flach so lange. Macht ihr euer Ding, wir unseres. Dennoch: Wir haben wohl weiter in verschiedenen Sprachen über unterschiedliche Dinge geredet. Das kommt halt davon, wenn einem der Brunnen vergiftet wird. Vielleicht muss ich mal ein Geheimtreffen mit seinem Weib klarmachen. In irgendeinem Badehaus, um da ein paar Dinge zurechtzurücken. Mir scheint nämlich, die hat ihn ganz gut im Griff. Und sie hat einen knackigen Hintern.

Was bleibt ist: Mich haben ein Weib, dem ich Demlack vertraute, und eine Verräterin mit Kragen um den Hals belogen, betrogen und ausgeknockt. Da kann man drüber stehen. Muss man aber nicht. Und jeder in Kasra weiß, dass ich ein langes Gedächtnis habe. Man weiß dort auch noch etwas anderes und kennt das geflügelte Wort. Es lautet: Leg’ dich nicht mit dem Hauptmann an.

Luc

Samstag, 12. Januar 2013

Der Kommandant denkt immer noch nach


Ich schlendere über den Markt, nehme ein paar Früchte an, die mir Händler zum Kosten reichen und weise meine Haushälterin Awa an, dies und das zu erwerben. Awa stammt aus Port Kar, hat als Urtweib am Hafen herumgelungert und sich meinen üblichen Vortrag für derlei Gesindel anhören müssen. Bei manchen wirkt er, bei den meisten nicht.

Wenn ich sie beim Betteln in der Stadt erwische, warne ich sie alle ein einziges Mal. Dass ich es erfahren werde, wenn sie herumlungern, sich in den Gassen irgendwelchen Matrosen für ein paar Kupfer hingeben, am Markt stehlen, die Leute um Almosen anjammern und das Stadtbild verschandeln. Geschieht das, gehen sie sofort in den Kragen und kommen auf den Auktionsblock oder werden geschoren und auf die Schiffe gebracht.

Weil ich ein großes Herz habe, sage ich ihnen aber auch: Wer sich aus dem Dreck erhebt und sein Geld mit ehrbarer Arbeit statt mit Kleinkriminalität verdienen will, erhält meinen Respekt. Und vielleicht sogar eine Chance wie Awa. Man kann einer Frau auf Gor nicht vorwerfen, wenn sie einmal fällt. Das kann sehr schnell aus unterschiedlichen Gründen geschehen. Mann kann ihr nur vorwerfen, wenn sie liegen bleibt. Schwäche dulde ich nicht in meinem Umfeld so wenig wie Mitleid, das den zum Schwachen erniedrigt, der es empfängt, und auch den, der es gewährt.

Gerade höre ich Awa feilschen und jammern über zu hohe Preise und schaue mich etwas auf dem Markt um, blicke über die Niederkastigen hinweg, die mich mit tiefen Verbeugungen grüßen, und verscheuche mit beiläufigen Handbewegungen einige Bittsteller, weil mich gerade einige kunstvoll bemalte Teller mehr interessieren als das Bauernpack.

Ich mag die schönen Dinge des Lebens. Meine Wohnung hängt voller Gemälde. Es ist Tradition in meiner Offiziersfamilie, von jedem Sieg ein solches Bildnis in Auftrag zu geben. Auf einer der Vasen, die ich mir ansehe, sind Szenen aus der Arena von Ar gemalt, wie mir der Töpfer berichtet. Nackte Jünglinge, die miteinander ringen. Kraftvoll. Schöne Motive. Aber natürlich sagt man von den Soldaten aus Ar, dass sie auch in den Fellen miteinander ringen und mit ihrer Lust die gewollte Ordnung verspotten.

Ehrlich gesagt. Ich habe keine Ahnung, ob das stimmt. Aber es war Teil unserer cosianischen Propaganda im Feldzug gegen Ars Station und der Schlacht im Voskdelta. Genauso haben wir von Tarnen aus über den Arer Stellungen Kisten abwerfen lassen, die gefälschte medizinische Zeichnungen aus Telnus enthielten mit Bildern von cosianischen Soldaten mit enormen Geschlechtsorganen. Das Eine diente dazu, den Gegner in den eigenen Reihen klein zu machen. Das Andere dazu, den Gegner zu demoralisieren.

Ich muss jedes Mal dran denken, wenn ich Arer sehe. Gerade kürzlich liefen hier welche auf – traurige Sache. Es war eine dieser Del-Ka-Brigaden, früher einmal respektable Untergrundkämpfer im Dienste einer Sache, ihres von Cos besetzten Heimsteins. Feinde, aber ehrbar. Damals jedenfalls.

Unter Führung eines alternden Senators namens Lucius kam dieser verblichene Glanz einer einst stolzen Legion in den Süden gekrochen und wollte uns Informationen aus Turmus verkaufen, um Geld für Essen zu haben. Was in zwei Belangen besonders traurig ist: Einerseits wollten diese Arer in Turmus einem Schreiber folgen, diesem Cato. Muss man sich mal vorstellen. Arer Soldaten, die Schreibern folgen. Hoffentlich bekommt das in Ar keiner mit. Andererseits sind sie von ihm übers Ohr gehauen worden und sinnten nach Rache. Nicht das ehrbarste aller Motive. Muss man sich auch mal vorstellen. Arer Soldaten, die sich von machtgeilen Schreibern übers Ohr hauen lassen und lamentieren, statt den Kerl umzulegen. Traurig halt.

Ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt jedenfalls schickt mir dieser Cato eine Botschaft, er habe eine Arer Kampfgruppe im Herzen Kasras platziert und denkt, ich glaube das. Will mich täuschen damit und seine offensichtliche Führungs-Schwäche, dass ihm die Soldaten in Scharen weglaufen, auch noch als Stärke verkaufen. Kläfft rum gegen Kasra und nennt uns Kriegstreiber – vermutlich hat er diesen Brief von seinem Weib kopieren und an all die Ortsvorsteher der Käffer am Vosk verteilen lassen, die ihm sabbernd folgen. Damit sie denken,w as für ein kluger Kopf und großer Feldherr er wohl ist.

Tatsächlich gibt es aber auch in diesen Bauern- und Fischerdörfern Krieger, denen man nichts vormachen kann. Die irgendwann Taten verlangen, und wenn dieser Cato sich halten und mit seiner Brut nicht verlacht und aus der Stadt gejagt werden will, dann muss er irgendwann etwas tun, das ihm Respekt verschafft.

Das bereitet mir Sorge, denn die Mittel dieser Del-Ka und die Mittel eines solchen Mannes sind nicht die der offenen Konfrontation. Eher ein Dolch im Rücken. Bezahlte Mörder. Gift. Außerdem hat er ja keine Soldaten mehr, die kamen ja alle nach Kasra gelaufen und baten um Geld. Deswegen habe ich vorsorglich ein paar Dinge angewiesen, um die Regentin zu schützen.

Mich erreichten außerdem Nachrichten meiner Spione aus Turmus und aus Belnend – Nachrichten, die mich wiederum schmunzeln lassen. Aber auch Nachrichten, die mich zu einigen weiteren Überlegungen bringen.

Innenpolitisch ließe sich die ohnehin gegebene Stabilität in Kasra durch einen kleinen Krieg in der Ferne weiter festigen, und die Diktatorin könnte damit sofort nach ihrer Wahl Stärke beweisen. Ferne Kriege gegen schwache Gegner bedrohen zudem niemanden in der Nähe und sind ungefährlich, schärfen aber das Profil der Regierenden – warum also nicht die Freiheit des Handels in Kasra und die Grundfesten unserer Ordnung igrendwo am Vosk verteidigen? Außerdem beruhigt es das Volk, wenn es militärische Präsenz sieht und verunsichert den Gegner, wenn er von seinen Spitzeln Nachrichten über Manöver erlangt.

Natürlich aber haben wir aus den Feldzügen gegen Aventicum und Belnend im Norden gelernt. Stehende Heer dort zu finanzieren, ist sagenhaft teuer, langwierig, zäh, und ich habe meine Budgets. Preiswerter ist es, von einem Brückenkopf aus gezielte kleinere Schläge auszuführen, und ich habe ein Tarnschiff am Vosk-Delta und eine Basis bei unseren Freunden in Lydius. Also habe ich angewiesen, Luftlande-Einsätze mit Tarnen im städtischen Raum zu üben sowie Anlande-Manöver der Flotte und der Marine-Infanterie am Flussufer. Bei beidem kann das Volk auch zusehen und seinen Roten zujubeln.

Bei allem kann es unseren Soldaten sowieso nicht schaden, vorbereitet zu sein. Ich rechne in den kommenden Tagen mit Aktionen der Del-Ka, die dieser Cato innerhalb der Vosk-Liga als Stärke verkaufen wird und muss, um ernst genommen zu werden. Es ist zwar lästig wie eine Laus im Pelz des Larls, dass sich dieser Schnösel Kasra als Rampe für seinen Aufstieg ausgesucht hat – sicher deswegen, weil wir so fern sind. Aber es lässt sich nicht ändern, und wenn den Larl die Laus irgendwann zu sehr ärgert, dann zerquetscht er sie mit einer schnelle, heftigen Bewegung seiner weit reichenden Krallen.

Ich mache eine Geste zu Awa, die mit dem Einkauf fertig ist und Cassia, die erste und zurzeit einige an meiner Kette, die Waren schleppen lässt. Ich sage, dass ich diese Vase mit den ringenden Arern will. Vielleicht sende ich sie diesem alternden Senator Lucius als Gruß, der mit seiner Brigade derzeit außerhalb kampiert. Vielleicht schmückt die Vase sein Feldlager etwas. An die cosianische Propaganda von damals wird er dabei sicher nicht denken. Aber wer weiß…

Mittwoch, 9. Januar 2013

Der Kommandant denkt

(( Ein Text von Luc Loire ))

Ich stehe auf dem Balkon meiner Dienstwohnung in der Zitadelle und lasse den Blick über Kasra schweifen. Viel tut sich dort unten in den Gassen zurzeit. Das Volk feiert seine Regentin – der Rat hat sie gerade zur uneingeschränkten Diktatorin eingesetzt, Regentin auf Lebenszeit, und sich selbst damit überflüssig gemacht. Was auch Zeit wurde. Ich bin als Offizier ein Freund von klaren Kommandostrukturen und habe mir oft genug anhören müssen, wie Niederkastige oder Militärfremde im Rat meine Arbeit seziert haben. Sogar Frauen durften da reden.

Nun geht Kasra den geraden Weg der Diktatur, den Weg des Starken. Dennoch amüsiert mich das ein wenig, und ich spiele lächelnd mit dem Lederband an meinem Gladius. Vor nicht langer Zeit wollte ich die Garde aufmarschieren lassen um den Rat zu verhaften, als dieser einer Frau ein wenig Macht gab. Nun enthebt sich dieser Rat sogar selbst und gewährt dieser Frau jegliche Macht – und ich sehe tatenlos dabei zu. Aber es hat Gründe, und ich bin zufrieden mit der Situation.

Einerseits ist sie nur eine Frau. Anders als zuvor steht nun ein Mann aus der Roten Kaste hinter ihr. Jemand, der mir unterstellt ist. Mein direkter Zugriff auf die Chefin ist somit gewährleistet, und ich agiere am besten aus der zweiten Reihe – dort, wo Feldherren immer stehen sollten, um die Formationen zu lenken, den Überblick zu haben und dabei selbst nicht unter Feuer zu geraten.

Zweitens hat diese kleine Person geschickt gehandelt. Das Volk liebt sie seit je als Märtyrerin – eine andere, aber nicht unwesentliche Geschichte. Sie hat sich den Segen der Priesterkönige besorgt und einen Wissenden auf den Punkt vor der Wahl mitteilen lassen, wie sehr Sardar auch künftig seine Kinder in Kasra und die Frau an seiner Spitze liebt. Ich habe keine Ahnung, was sie dem bezahlt hat – aber niemand kann Kasra nun Ketzerei vorwerfen oder den Verstoß gegen die gewollte Ordnung. Weiter fiel die Wahl in eine akute Phase der Bedrohung durch Terroristen und Aktivisten der Del-Ka aus Turmus. In Phasen der Bedrohung hat das Volk Angst, und eine starke Hand kann es beruhigen. Insbesondere, wenn dabei Außenpolitik eine Rolle spielt. Das Volk liebt es, Truppen ausrücken zu sehen und hasst es, wenn die Truppen die Verteidigungswälle stärken und eine Bürgerwehr bewaffnen.
Drittens hat sie mich noch vor der Wahl befördert. Das kommt mir entgegen. Mein Lebensstil ist gehoben und meinem Stand entsprechend. Ich musste aus wirtschaftlichen Erwägungen letztens sogar schon ein paar Sklavinnen verkaufen lassen.
Ich stehe aber nicht nur deswegen hier lächelnd auf dem Balkon. Ich amüsiere mich genauso über die vielen kleinen Spitzel, die derzeit in Kasra unterwegs sind und glauben, dass ich sie nicht sehe. Vielleicht wissen sie nicht, dass ich lange Zeit im Nachrichtendienst des cosianischen Militärs operiert habe und auch für Kasra als Agent. Ich kenne mich aus, will ich damit sagen – auch damit, feindliche Agenten zu instrumentalisieren und mit Informationen zu füttern, die mir genehm sind und Kasra schützen. Desinformation führt zu Schwäche und einem Gegner, den man zudem taktisch isolieren kann. Deswegen muss ich häufig lachen, wenn ich diese kleinen Spitzel von Krieg reden höre, um damit eine Aussage über Kasras Politik zu provozieren. Diese Leute haben keinen Schimmer, was Krieg ist. Und noch weniger begreifen sie, dass sie sich längst im Krieg befinden – wenngleich einem, der nicht mit Schwertern geführt wird. Zumindest noch nicht. Und immerhin gleicht er einem echten Krieg in Einem: Er wird mit etwas kühlerem in den Adern als Blut geführt.

Das „Noch“ bewegt mich als Kommandant zu den Mitteln Desinformieren, Teilen, Isolieren und derlei Dingen. Ich bereite mich gerne vor – das ist alles. Macht eine Menge einfacher, falls es Ernst wird. Denn ich kann schon morgen den Befehl erhalten, dieser Del-Ka in Turmus den Kopf abzuschlagen, sollten diese Terroristen weiter in Kasra agieren und die hiesige Gesellschaft zersetzen wollen. Ich kenne diese Plagegeister noch aus meiner Zeit als cosianischer Offizier. Sie sind schwer auszumachen. Sie operieren in Zellen aus dem Untergrund heraus, um funktionierende Strukturen zu zersetzen. Diesen Cato habe ich persönlich davor gewarnt, in Kasra zu spitzeln und Propaganda zu betreiben. Weil ich weiß, wie gefährlich diese Del-Ka sein kann, haben wir sogar ein Tarnschiff, das Handelsschiffe vor den Piraten von Port Kar schützen sollte, vor das Vosk-Delta gebracht. Mit Tarnen hätte ich innerhalb kürzester Zeit Truppen im Vorgarten von diesem Schreiber absetzen können.

Aber mir wurde im Gespräch mit ihm schnell klar, um was es ihm wirklich geht. Diese ganze politische Motivation ist vorgeschoben, ein Possenspiel. Einerseits will er die Macht am Vosk. Er will, das Turmus an der Spitze einer Liga von Städten am Fluss steht. Natürlich unter seiner Führung. Und dazu hat er bereits die Präsenz unseres Schiffes propagandistisch ausgewertet, um einige Käffer am oberen Flusslauf zu erschrecken und unter seine Fuchtel zu bringen. Weiter will er Rache nehmen an Taten, die man an seinem Weib begangen hat, und zwar in Lydius. Lydius ist eine Handelsstadt wie Kasra, und da liegt es auf der Hand, das Cato diese Del-Ka ebenfalls instrumentalisiert, die vor allem die Händlerkaste entmachten will – zumal wesentliche Personen, denen seine Rache gilt, zu dieser Kaste zählen. Kurz: Er ist ein Strippenzieher im eigenen Interesse und will seinem Weib imponieren.

Natürlich ist Kasra nicht dumm, weswegen wir Lydius erklärt haben, seinen baldigen ernsten Problem mit diesem Cato im Austausch mit günstigen Handelskonditionen für Kasra mitfühlend gegenüber zu stehen. Wir haben weiter geschildert, dass es Städte gibt, die vorgeben, Lydius verbunden zu sein, aber mit dessen Feinden paktieren. Und diesem Cato haben wir erklärt, sein Streben nach Macht am Vosk gerne weiter zu stützten, wenn es sich für Kasra rentiert. Denn hier liegen Kasras einzige Interessen im Norden: Umsatz, Profit.

Und natürlich darin, dass sich diese Del-Ka aus dem Süden verzieht. Denn tut sie das nicht, werden wir andere Mittel ergreifen müssen, und ich weiß, wo Cato empfindlich ist. Ich kenne die Vergangenheit seines Weibes. In Kasra war sie nur eine Soldatenschlampe, die mir Wasser bringen oder meine Sandalen putzen durfte. Dann ist sie geflohen, hat sich womöglich irgendwelche Papiere fälschen lassen und sich hochgeschlafen. Außerdem habe ich bereits mit ihr als Agent zusammengearbeitet. Ich kenne ihre Methoden und weiß, dass sie schon damals gegen Lydius’ Führung agitierte. Ich weiß ebenfalls, dass sie diesem Cato nun drei Kinder geboren hat. Jedem Mann liegt etwas an seiner Familie. Und mir liegt sehr viel daran, dass die Familien in Kasra ruhig schlafen können. Was ist also eine Mutter irgendwo im fernen Turmus gegen die vielen Mütter meines Heimsteins – Mütter, die um ihre Söhne weinen müssten, weil sie im Kampf gegen die schäbigen Söldner von machtgeilen Banditen an einem sumpfigen Flussufer gefallen sind statt gegen ehrbare Männer auf einem ordentlichen Schlachtfeld für einen sinnvollen Zweck?
So stehe ich also hier auf dem Balkon und schaue in die Gassen wo das Leben sein Gang geht. Ich trinke mein Wasser aus und hebe den Becher in Richtung der Dächer im Palast und Tempelviertel. Alles für Kasra, sage ich. Alles für dich.


Sonntag, 6. Januar 2013

Die Schwingen der Freiheit

Mir fällt auf, dass jedes Mal, wenn ich nachdenken muss oder mir über Dinge klar werden will, ich am Wasser lande. Dieses Mal hat es mich an eine breite Stelle des Flusses unterhalb des Gutshofes verschlagen, wo das Wasser ruhig und glatt vor sich hin fließt. Der kleine Bootssteg wurde umfunktioniert bzw. dient zu Testzwecken für eine neue oder vielleicht auch alte Form des Brückenbaus. Mein Fass, auf dem ich seit Tagen die Nachmittage und Abende verbringe, musste ich etwas beiseite rücken. Man stelle sich vor, ich fische und das auch noch recht erfolgreich, dabei esse ich keinen Fisch, zumindest nicht, wenn's nicht unbedingt sein muss. Vielleicht erbarmt sich ja einer meines Fangs und macht daraus Fischsuppe, wobei das nicht weniger grausam ist, zumindest in meinen Augen. Aber psst, das hab ich nie gesagt.

Im Moment gibt es ein großes Thema in Kasra, das allgegenwärtig ist: Del-Ka. Als Krieger hab ich natürlich hier und da mit der Sache zu tun, aber bislang verhält es sich für mich noch recht ruhig. Vielleicht bin ich auch viel zu sehr mit mir selbst beschäftigt. Momentan dürstet mir eher nach Ruhe und etwas Abgeschiedenheit, weswegen ich mich wohl auch für das Angeln entschieden habe. Wenn nicht gerade an diesen Brückenbauten oder den Schiffen gearbeitet wird oder jemand panisch um den Hof rennt, weil er meine Gefährtin sucht, ist es hier herrlich ruhig.
Meine Nächte sind kurz, eigentlich eher die von meiner Gefährtin und den ganzen Sklavinnen, aber es bleibt nicht aus, dass wenn sich Elicius und Elea - unsere Zwillinge - vorgenommen haben, lautstark auf ihren Essenwunsch hinzuweisen, ich davon ebenfalls wach werde. Mittlerweile hat sich jedoch die Zeitspanne vergrößert, in der sie ihr Recht fordern, und so werden die Phasen, in denen wir schlafen dürfen, immer länger.

In mir keimt so etwas wie ein schlechtes Gewissen auf, denn ich sitze nun hier mit Blick auf den Fluss, der sich wie eine riesige Ost durch die Landschaft schlängelt, und alles, woran ich denken kann, ist, diesem heranwachsenden Drang nach Freiheit nachzugeben. Dabei habe ich alles, was man sich nur wünschen kann. Eine Gefährtin, schön, klug und einflussreich. Wir sind wohlhabend, haben zwei gesunde Kinder. Sicherlich würde mich so mancher darum beneiden. An manchen Tagen tu ich das sogar selbst. Wirklich! Dennoch höre ich, wenn ich die Augen schließe und versuche der Ruhe hier draußen zu lauschen, den Flügelschlag der Freiheit. Ich sehe nach oben, ob sich ein Tarn oder sonst ein Federvieh nähert, aber es ist nichts zu sehen. Der Himmel ist klar, kein Schatten verdunkelt das Zentralfeuer. Es ist wohl doch nur die Stimme in mir, die sich bemerkbar macht...

Catellus