Samstag, 27. April 2013

Brennende Steppen des Nordens

Ich stapfe also durch den Schlamm am Ufer unseres Lagers, dort, wo die Schiffe ankern. Blutgetränkt ist die Steppe draußen. Ein kalter Wind lässt die Bäume rascheln. Ich höre die Schleifsteine, die unseren Stahl schärfen. Das Klagen der Verletzten. Weiter hinten glimmen noch die Feuer, auf denen die verkohlten Überreste unserer Toten liegen. Ich höre die Peitschen knallen, wo die Pioniere Sklaven die Kriegsmaschinen in Stellung bringen lassen, die schweren Räder durch den knietiefen Matsch zerren.

Und ich denke darüber nach, dass ich eine Entscheidung treffen muss, die allen Männern hier nicht gefallen wird, die sich Ruhm und Ehre versprechen vom Sieg auf dem Schlachtfeld. Doch gibt es die hier wirklich zu gewinnen? Ein Mann, der nur denkt, ist kein Mann - aber einer, der nicht nachdenkt, ist ebenfalls keiner. Also treffe ich einen Entschluss.

Ich versammle die Befehlshaber der Truppenteile. Und ich schildere meine Sicht: Wir sind aufgebrochen zu einer Strafexpedition. Aber Verräter aus den eigenen Reihen, Spione und nordische Händler haben nach unserem jetzigen Kenntnisstand die Nordclans gewarnt – und der Alte, dieser Beowulf, hatte Recht: Immer mehr Dörfer entsenden ihre Besten, immer mehr Horden werden uns entgegengeworfen, drängen uns in eine Defensive. Es gibt erheblich mehr Widerstand als erwartet.

Ich sage: „Wir haben nur einige Kohorten in den Norden gebracht, um ein Dorf auszulöschen. Wir sind nicht ausgerüstet für einen langen Feldzug in diesem Terrain. Wir haben keine Logistik dafür vorbereitet, und wenn wir die Truppen nun verstärken, dann lassen wir uns hier in einen Krieg ziehen, der weit über das Gebiet der Hammaren hinaus geht.“ Ich ergänze: „Unsere Mannschaften sind dezimiert. Wir werden festgenagelt, und wir alle müssen unsere Köpfe bei den Administratoren und Regenten dafür hinhalten, wenn wir mit einem unkontrollierbaren Krieg und erheblich dezimiert heimkehren, obwohl wir nur eine Strafexpedition vollziehen sollten.“

„Rückzug?“, fragt man mich. Mehrfach entsetzt.

„Aii, Rückzug“, sage ich.

Ich höre die Proteste. Den Widerspruch. Schließlich sagt Alex von Kasra: „Ich habe einen Plan entwickelt. Gib’ mir die Führung. Wir müssen den Bauern zeigen, was es bedeutet, sich mit der Roten Kaste anzulegen!“ Auch Gerd von Turmus, der immerhin eine ganze Flotte verloren hat, gibt sich verhalten mir gegenüber.

Nun, da kann man schlecht widersprechen, wenn die Kommandeure es noch einmal wissen und sich beweisen wollen. Ich bin zwar immer noch sicher, dass ich Recht habe - aber manche Selbsterkenntnis muss man halt erst durch Blut gewinnen und außerdem seine Kommandeure bei Laune halten.

Also sage ich: „So sei es. Führe deinen Angriffsplan aus. Instruiere die Truppenteile. Immerhin hatten wir noch nicht die Chance, in die Defensive gedrängt, einen Angriff zu vollziehen. Doch es wird der erste und letzte sein, denn der Verrat aus unseren Reihen hat die Horden zu zahlreich werden lassen, und einen Krieg dürfen wir ohne Mandat der Räte nicht riskieren.“

Kurz darauf beginnen die Anweisungen an die Hauptleute - doch bevor irgendetwas geschieht und auch nur ansatzweise ein Plan umgesetzt werden kann, rennen bereits die Massen des Torvaldslandes wieder unkontrolliert gegen unsere Stellungen an. Und schlimmer noch - der Ruf „Verrat“ gellt durch unsere Lager: Nordische Bauern haben ihre Haare geschoren, sind in die Uniformen von Gefallenen Soldaten geschlüpft und haben unser Lager infiltriert, greifen uns von Innen heraus an und stecken mit Pechfackeln unsere Schiffe in Brand!

Auf der anderen Seite donnern oben am Hügel die Katapulte, feuern Brandgeschosse in die Massen, die zugleich den Wald entflammen. Schließlich brechen wir auf einer anderen Flanke des Kampfplatzes aus. Entscheiden aus der Situation heraus. Wir umgehen die Hauptmacht des Feindes, greifen ihn mit mit einigen Einheiten dann von der Seite und von hinten an, während andere auf das nur noch schwach bewachte Lager stürmen.

Zäh zieht sich die Schlacht hin, aber es wird immer deutlicher, dass die Kräfte des Südens nun das Terrain dominieren. Meine Kampfgruppe metzelt einige versprengte Nordmannen in einem brennenden Wäldchen nieder. Währenddessen verfolgen wir, dass ein anderer Truppenteil der Allianz unterlag, Hauptleute in das Lager des Feindes verbracht werden. Kurz darauf stürmen wir über einen ungeschützten Höhenzug, dringen in das Lager des Feindes ein, wo Weiber damit beschäftigt sind, Männer aus dem Süden zu fesseln, zu entwaffnen, sie in Käfige zu sperren! Bäuerinnen! Offiziere!

Ich sehe ein schlamm- und rußverschmiertes Weib, das den hohen Offizier aus Kasra, Alex, in Fesseln hinter sich herschleift. Da setzt es bei mir aus. Was mir an Sklaven und Weibern des Feindes vor die Füße kommt, töte ich in wilder Raserei. Ich habe kein Interesse daran, irgendwen zu versklaven und als Souvenir mitzubringen. Ich will den Feind in Tränen aufgelöst sehen, wenn er wiederkehrt. Er soll begreifen, dass er tief in seinem Herzen getroffen werden kann, tödlich und schlimm, wenn er sich mit dem Süden anlegt!

Schließlich befreien wir die Gefangenen, und als wir das Lager wieder verlassen ist klar, dass diese Schlacht an uns ging. Zurück im Lager sehe ich zahllose Gefesselte. Ich tobe wegen unserer brennenden Schiffe, und als mir der gefangene Nordmann präsentiert wird, der dafür verantwortlich war, trete ich ihn so hart zusammen, dass seine Rippen brechen. Ich sage: „Näht Segel aus ihren Häuten! Segel, die uns zurück in den Süden bringen!“

Denn nun sind die Hauptleute sich einig: Herbe Verluste wurden eingesteckt, aber am zweiten Kampftag auch herbe Verluste den Horden zugefügt worden. Der Rachedurst ist gestillt, und damit unser Auftrag zumindest teilweise umgesetzt. Wir lassen einen Teil der Gefangenen frei, damit sie in ihren Dörfern berichten. Damit sie sagen, was geschehen kann, wenn der Süden sich entscheidet, beim nächsten Mal keine Kohorten zu Strafexpeditionen zu schicken, sondern ganze Legionen. Den Rest, vor allem die Verräter, richten wir hin.

Gerd von Turmus tut mir etwas leid, da er wieder vor brennenden Schiffen steht, der gute Admiral. Zumal: Wie kommen wir wieder zurück? Zu Fuß? Da dringt die gute Nachricht an uns: Ein Versorgungsschiff trifft bald ein - wir können ihm am Ufer entgegen marschieren! Also lösen wir das Lager auf. Marschieren mit den Verletzten und dem Tross durch den kalten Schlamm. Als die Segel des Südens in Sichtweite sind, jubelt die Streitmacht - der Soldat Marcellus aus Kasra hat es als erster gesehen! Als das Schiff anlegt, werfen wir alle Versorgungsmittel über Bord. Pferchen uns selbst zusammen, und es reicht gerade. Mit drei Schiffen kamen wir. Mit einem fahren wir. Wir. Bedeutend weniger nun, aber immerhin zufrieden und versöhnt, dass wir einen Teil unseres Auftrages ausführen konnten.

Und wir, voll glühender Wut auf die Verräter, die wir in unseren Städten stellen und hinrichten werden. Alle.

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